Mein Weg als Frau mit autistischen Eigenschaften – Mut zum eigenen Platz
- Mensch im Spektrum
- 19. Juli
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 4. Aug.
Als Frau mit autistischen Eigenschaften habe ich schon früh gemerkt, dass ich mich von anderen unterscheide.
In meiner Kindheit war ich oft ruhig und habe lieber beobachtet, während andere Kinder scheinbar problemlos miteinander spielten. Ich habe oft versucht, mich anzupassen, aber es fiel mir schwer, die sozialen Regeln zu verstehen. Gespräche und Gruppensituationen waren für mich sehr anstrengend, weil ich vieles nicht intuitiv erfassen konnte. Oft waren meine Reaktionen zu langsam und die anderen Kinder hatten bereits wieder neue Freundschaften geschlossen.
Es fühlte sich an, als würde ich in einem schnellen Fluss schwimmen, während alle anderen mühelos auf einem Boot vorbeiglitten.
Die Schulzeit war sehr herausfordernd. Geräusche, Gerüche, die vielen Eindrücke und Erwartungen haben mich schnell und regelmässig überfordert. Ich hatte immer das Gefühl, dass ich mehr Energie brauche als andere, um durch den Tag zu kommen. Oft habe ich mich gefragt, warum mir vieles schwerer fällt und warum ich nicht so bin wie die anderen. Manchmal fühlte ich mich in der Schule wie jemand, der in einem fremden Land lebt und die Sprache erst lernen muss – alles war neu, laut und ungewohnt, und ich musste meinen eigenen Weg finden. Mit der Zeit habe ich gelernt, meine Unsicherheiten zu verstecken. Nach aussen habe ich mich bemüht, stark und angepasst zu wirken, obwohl ich innerlich oft erschöpft war.
Small Talk und Höflichkeitsfloskeln habe ich beobachtet, auswendig gelernt und anschliessend wieder kopiert.
Trotzdem war alles in meinem Leben unheimlich streng. Erst mit 43 Jahren kam die Diagnose Autismus. Das war ein Wendepunkt für mich. Zuerst war ich verunsichert, denn wer war oder bin ich wirklich? Gleichzeitig war ich dann aber auch erleichtert, weil plötzlich viele Fragen aus meiner Vergangenheit beantwortet wurden. Ich habe verstanden, dass ich nicht falsch bin, sondern einfach anders funktioniere.
Die Diagnose war wie ein Lichtstrahl, der durch einen dichten Nebel brach und mir half, die Konturen meiner selbst klarer zu erkennen.
Heute weiss ich, dass ich gut auf meine Bedürfnisse achten muss. Rückzug und Ruhe sind für mich wichtig, um Kraft zu sammeln. Mein Alltag ist manchmal anstrengend, vor allem als Mutter mit zwei Kindern mit autistischen Eigenschaften. Trotzdem bin ich dankbar für meine Familie, die mich unterstützt und Verständnis zeigt. Die Diagnose sehe ich nicht als Makel, sondern als Hilfe, meinen eigenen Weg zu finden. Ich lerne, mich und meine Bedürfnisse selbst neu kennen und akzeptieren, auch wenn ich manchmal verletzlich bin.
Ich weiss jetzt: Ich darf so sein, wie ich bin.
An alle, die sich ähnlich fühlen: Es lohnt sich, den eigenen Weg zu gehen, auch wenn er manchmal steinig ist. Es gibt einen Platz in der Gesellschaft – auch für Menschen, die anders sind. Hab Mut, dich selbst zu entdecken und zu zeigen. Du bist nicht allein.





