Ist heute jeder neurodivers?

Diese Frage taucht immer häufiger in der Sprechstunde auf. Was denkst du dazu? Vermutlich ein sensibles Thema, über das man ganze Streitschriften verfassen könnte.

Doch auf neurologischer Ebene sind wir wahrscheinlich tatsächlich alle unterschiedlich:

Der eine hat ein ausgeprägtes Gehör für Musik, der andere stört sich kaum daran, wenn ein mittelmäßig gestimmtes Instrument zum Einsatz kommt. Manche haben ein gutes Auge für Farben und Gestaltung – anderen fehlt dieser Zugang. In solchen Bereichen würden viele zustimmen: „Jeder auf seine Art.“

Aber was ist, wenn dir dein Lehrer oder eine Freundin zu einer Abklärung rät? Oder wenn du selbst auf der Suche nach einem Konzept bist, das dich im Alltag unterstützt – weil „ich bin halt so“ allein nicht reicht, um die Hürden zu überwinden?

Die diagnostische Abklärung im Bereich ADHS oder Autismus kann tatsächlich helfen, das eigene Denken und die neuronalen Prozesse besser zu verstehen. Sie kann Wege aufzeigen, wie man bewusster mit bestimmten Herausforderungen umgeht.

Eine Diagnose kann dabei kein Allheilmittel sein, aber sie bietet die Chance, mit mehr Verständnis für sich selbst – oder andere – durchs Leben zu gehen. Sie hilft, bewusster zu entscheiden, wofür man seine Energie einsetzen will – und wo sich der Verschleiß schlicht nicht lohnt.

Im besten Fall ist so eine Diagnose wie eine Landkarte: Sie zeigt dir, wo das Gelände gut begehbar ist – und wo Klippen oder Flüsse liegen. Mit dieser Karte kannst du deine Route selbstbestimmter planen und bei Bedarf anpassen.

Es geht also nicht in erster Linie darum, ob ein bestimmter Weg überhaupt begehbar ist – sondern darum, welches Equipment du dabeihaben willst oder musst.